Himmelskrone

30. März 2020

Es ist schon ein spannendes Jahr, in das wir vor drei Monaten gestartet sind. Erst die Stille vor dem Sturm, dann die Sturmzeit nach der Stille, dann das Biikefeuer mit nur vorgestellten Flammen, und im März nun des Himmels Krönung – diesmal ein wenig wie Sturm und Stille zugleich. 

„Hast Du schon mal nach oben geschaut?“ fragte Volker, während wir draußen unserer Arbeit nachgingen. Das ist schon länger als eine Woche her. Ein herrlich blauer Märzhimmel spannte sich über uns von Horizont zu Horizont in alle vier Himmelsrichtungen. Ich überlegte, was er wohl gemeint haben könnte oder welcher Witz jetzt folgen würde. Aber es folgte kein Witz, sondern eine in dieser Zeit durchaus zutreffende Feststellung mit ernstem Hintergrund: „Es fehlen die Kondensstreifen.“ Man kann es drehen und wenden wie man will, es ist sowohl etwas Wunderschönes in dieser Aussage, impliziert sie doch die Vorstellung vom strahlend blauen Himmel als Krone über alle Welt, als auch eine Verwunderung über die gewaltigen gesellschaftlichen Auswirkungen des weltweiten Siegeszugs eines kleinen gekrönten Virus‘. Betroffen sind wir alle, nicht nur Ihr Familie, Freunde und Gäste in Braunlage, Hamburg, Kiel, Berlin, Apolda, Schwartau, Weinstadt, Heinsberg oder Pinneberg … oder wo immer ihr mit der Kontaktsperre zu leben habt, auch auf Gröde spüren wir die Auswirkungen, weil z.B. keine Feriengäste kommen dürfen und wir einigen von Euch absagen mussten. Die Enttäuschung, kurzfristig nicht nach Gröde fahren zu dürfen, können wir gut verstehen. Wäre schön mit Euch gewesen – wir holen alles nach.

Es ist für uns eine Zeit mit weiten blauen Himmeln ohne Kondensstreifen über weitem Meer, mit erwachender Vogelwelt und intensivem Licht, sodass die Gesichtshaut abends schon mal prickelt. Es ist eine Zeit für dicke Bücher und lange gemeinsame Spaziergänge mit Pausen, um die Ringelgänse, die Lachmöwen und die Säbelschnäbler zu beobachten, die in Schwärmen schon die Hallig bevölkern. Natürlich arbeiten wir auch, aber es bleibt viel Zeit für uns übrig. Wir selbst erleben in diesen Wochen auf Gröde die Reduktion auf das Wesentliche und die Entschleunigung, die sonst unsere Feriengäste hier suchen. Wenn wir in den Medien die Bilder von menschenleeren U-Bahnhöfen und Straßen sehen, denken wir, muss auch dort Entschleunigung stattgefunden haben, sie scheint also nicht nur auf einen Urlaubsort begrenzt zu sein – wenn man nur will. Im Kontrast dazu dann die Vorstellung von Hektik, Anspannung und schier endloser Kraftanstrengung der Mitarbeiter in Kliniken oder Krisenstäben; Hochachtung und Respekt denjenigen, die jetzt alles geben.

Schauen wir nach oben, into the blue, genießen wir die Entschleunigung, bleiben wir gelassen, aber auch ein bisschen gespannt, wie lange es dauert, bis immer mehr Kondensstreifen die Himmelskrone mit den Riefen eines neuen Alltags versehen.
In diesem Sinne. Gehabt Euch wohl und bleibt gesund! Sabine und Jürgen

Ein Gedanke zu „Himmelskrone

  1. Gudrun Niesner

    Ja, Zeit der Stille ….
    seit zweieinhalb Wochen lebe ich in meinen eigenen 4 Wänden, lese ein Buch nach dem anderen und wenn es das Wetter erlaubt bin ich im Garten und auf der Terrasse. Alle Termine sind abgesagt, Einkäufe werden online und von meinem Sohn erledigt, der Kontakt beschränkt sich auf die eigene kleine Familie und das auch auf Abstand, oder telefonisch mit Freunden.
    Schön, von Euch zu lesen. Es muss derzeit sehr ruhig sein auf Gröde. Ostern ohne Gäste, wie wird das sein mit dem Ostereier suchen? Dürfen die Kinder und Enkel überhaupt kommen?
    Ich kann nur hoffen, dass bis Ende September alles wieder im grünen Bereich ist und wir uns dann gesund wieder sehen können.
    Ich wünsche Euch und allen Grödern ein gesundes Überstehen der Pandemie.
    Ganz liebe Grüße
    Gudrun.

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