Gibt es ein verbindendes Element von Gesang und Wasser?
Wie wäre es mit Luft, Atem, Wind und Sturm? Gesang und Wasser, durch sie bewegt, schwellen an, schwellen ab, mit heftigem Wind, mit sanftem Wind. Gemeinsam mit dem Wind formen sie Geschichten für die Menschen, die doch stets danach suchen, ihre eigene Geschichte zu erzählen.
Einatmen. Den Wind in sich hineinhauchen. Ausatmen. Den Wind langsam und sparsam durch die Stimmbänder wehen, daß sie schwingen, zu Tönen auf dem Notenblatt springen, nicht höher und nicht tiefer, möglichst.
Auf Gröde, der Sturmwind dieserzeit, macht das auch, mit Macht, heult aufs Neue jeden Tag um die Ecken der Häuser der Warft, bringt Reethalme zum Schwingen und dicke Drähte zum Singen. Treibt hoch vor sich her, draußen auf dem Meer, die Wasser der Nordsee, macht Geschichte mit ihnen, seit je her, formt Wellen und Gischt, es brodelt und zischt, und drückt sie an Halligkanten und weit darüber hinweg, sodaß Gröde, reduziert und konzentriert, auf die Größe zweier Warften schrumpft, mit Mensch und Tier.
Reduziert auf einen kleinen Flecken Land, und dennoch nicht allein, nein, im Chor der anderen Warften auf den anderen Halligen. Salzige Wiesen atmen salziges Wasser. Reduziert auf das Wesentliche, auf sich selbst, die eigene Stimme, erklingt eigener Gesang, und dennoch nicht allein, nein, im Chor mit anderen Menschen.
Dort beginnt die eigene Geschichte, die es noch zu erzählen gilt, die das Herz froh machte in all dem Sturm, die Episode meines Abends des gemeinsamen Singens mit der musikalischen Familie in unserem Haus, Eltern und zwei Kinder, die auch erwachsen. Sopran. Alt. Tenor. Baß der Vater auf dem Sofa, zu dem ich meine Stimme geselle — schon sind wir ein Chor und nicht allein. Mit Text und Noten und Wind in den Stimmen, nicht so heftig wie draußen die Sturmfetzen, nein, sanft und froh, verbunden.
Danke. Jürgen