Es ist Wochenende. Sabine ist einige Tage auf dem Festland und ich bin allein in unserem großen, leeren Haus, keine Gäste. Winterruhe. Nur Luzi und ich. Ich beschäftige mich mit liegengebliebener Büroarbeit, sitze viel an Schreibtisch und Bildschirm, das alte Jahr will abgeschlossen werden und das neue Jahr gilt es vorzubereiten, damit unser Betrieb hier geordnet weiterläuft. Einmal am Tag mache ich einen langen Spaziergang über die Hallig, nicht nur für Luzi, sondern auch für mich selbst, raus aus dem Haus, weg vom Bildschirm, von Zahlenkolonnen, sich stapelnden Leitzordnern und der ständig klappernden Tastatur. Luzi und ich gehen jeden Tag denselben Weg. Die Gewohnheit und der Wiedererkennungswert beruhigen ungemein, kaum Ablenkung von außen, kein neuer Abzweig in eine andere Richtung. Luzi weiß schon genau, welchem Weg wir folgen. Wir starten von der Warft Richtung Osten, als erstes über die erste Brücke, als zweites über die zweite Brücke, wo Luzi vor dem Tor stehenbleibt, bis ich mit schwingenden Metalltönen den Riegel ziehe, das Tor öffne, Luzi durchgehen lasse, selber durchgehe und mit der gleichen Geräuschkulisse den Riegel wieder durchstecke. Wir biegen links ab, an den kleinen Anlegern vorbei auf den Sommerdeich und dann am großen Graben entlang immer weiter nach Osten bis zur Möwenecke. Dort auf der Bank ist erstmal Pause angesagt, denn Luzi und ich sind schon ein wenig erschöpft: Unterwegs findet Luzi einen gegabelten Stock, heute denselben wie gestern. Diesen Stock quer zwischen den Zähnen und mit blitzenden Augen schaut sie mich herausfordernd an, als wolle sie sagen: Fang mich doch. Und das versuche ich. Manchmal läßt sie mich den Stock ergattern, damit ich ihn weit weg schleuder und sie ihn in schnellstem Galopp zurückholt. So tollen wir minutenlang auf dem Sommerdeich herum, bis das Spiel langweilig wird und der Stock irgendwo liegenbleibt – bis wir ihn wieder finden und die Gewohnheit siegt, vielleicht morgen? Verdiente Pause also auf der Bank an der Möwenecke mit Blick auf das Festland. Frisch gestärkt ziehen wir nach einigen Minuten weiter mit dem Wind von vorne die lange Strecke auf dem Appellanddeich an den Lahnungsfeldern entlang bis zur Westkante, dort wo der große Steindeich mit dem gepflasterten Weg beginnt, der bis zur Schleuse führt. Meine Füße in den Gummistiefeln sind inzwischen recht warm geworden von den vielen Schritten und dem Schwingen der Stiefel. Die Pflasterung des Weges mit großen Granitsteinen ist ideal für Fusswellness: Sie ist nicht langweilig glatt, sondern besteht aus vielen kleinen und großen Unebenheiten und ist angenehm kühl an den Füßen – also Stiefel ausziehen, Socken runter und den rauen Granit an den Fußsohlen spüren. Langsamen Schrittes schlendere ich weiter, langsam, ganz langsam, die Augen nur auf die Steine gerichtet, suche ich mir für jeden Schritt einen neuen Stein, meinen Fuß darauf zu setzen. Im Gegensatz zum Laufen in den Stiefeln benutze ich gefühlt jeden Muskel im Fuß und in den Zehen, und am Ende der Strecke fühlen sich meine Fußsohlen richtig durchgewalkt an. Diesen Weg barfuß zu gehen ist wie eine langanhaltende Fußreflexzonenmassage. Und da meine Augen nur auf den nächsten ausgesuchten Stein schauen, ist kaum Ablenkung da, und ich kann ganz bei mir bleiben – zur Fusswellness gesellt sich lässig Seelenwellness.
Wünsche Euch eine gelassene Arbeitswoche! Jürgen
Archiv für den Monat Januar 2018
Eishauch
So richtig eisig? War es bisher nicht auf Gröde. Ein eisiger Hauch nur, gerade kalt genug für hübsche kleine Eiskunst auf Wegen und Gräben und zum Wäschesteifen auf der Leine, vor zehn Tagen und auch heute wieder. Der kurze Frost haucht glitzernd über die Hallig und zeigt was er kann, wenn er will. Aber will er denn so richtig? Oder will er nicht – nicht mehr – noch nicht? Auch die schneestürmische „Friederike“, das Orkantief von gestern, hat uns, nicht nur geografisch, links liegen lassen: Eine hübsche Schneeschauervorstellung mit dichtem Flockentanz kriegten wir abgeworfen, sonst nichts. Heute ist schon wieder alles weg. Bei Euch alles in Ordnung? Hoffentlich nicht gestrandet mit der Bahn, dem Auto, auf dem Weg zur Schule oder zur Arbeit? Kein Baum quer auf dem Dach? Keine mannshohe Schneewehe vor der Haustür? Nicht stromlos kalt zuhause? Das hoffen wir mal!
Herzlichst, Jürgen und Sabine