Archiv für den Monat Dezember 2017

Höhlenleben

Samstag, 30. Dezember 2017

Sabine sitzt mir gegenüber und erzählt von ihren Hühnern, die im Hühnerhaus auf dem Muschelboden ihre Sandbadefeste feiern: Sie haben einen Teil ihres täglichen Lebens nach drinnen verlegt und erfreuen sich am trockenen Muschelsand in ihrer Hühnerhöhle. Draußen ist es stürmisch und kaum ein Tag vergeht ohne Regen: Über Gröde ziehen himmelhohe  Schauerwolken hinweg und hinterlassen  Pfützen, in denen sich anschließend die kleinen blauen Farbflecken zwischen den Wolken spiegeln, seltene Gäste in diesen Tagen.

Vorhin habe ich mich mit Luzi durchpusten lassen: Raus aus der Höhle, hinein in die kurzen hellen Stunden. Flatternde Kapuze über meiner Mütze – draußen versuche ich noch unter der Kapuze eine kleine schützende Höhle zu finden, der Erfolg ist eher symbolisch. Luzi schaut je nach Laufrichtung aus wie ein schlanker Windhund, wie ein gestriegelter Schäferhund, wie ein gegen den Strich gebürsteter Terrier oder wie ein frisch dem Friseur entlaufener Langhaarcollie mit gewachstem Seitenscheitel auf dem Weg ins Büro.

Tiefer hängende Wolkenfetzen sausen in Windeseile unter den beeindruckenden, leuchtend Türmen hindurch, als seien sie auf der Flucht vor dem nächsten Regenschauer. Nach schweisstreibender Auseinandersetzung mit dem Gegenwind begleitet mich der hilfsbereite Rückenwind zurück nach Hause, zurück zu Frau und Kindern, die mich schon zum Frühstück erwarten: Kerzenschein in der warmen Höhle mit Kaffee- und Croissantduft.

Weihnachten ist vorbei, das Jahresende in Sicht. Sabine und ich wünschen Euch für 2018 stabile Gesundheit, lässige Gelassenheit, beeindruckende Begegnungen und ein Feuerwerk voller Lichtblicke.
Wir freuen uns auf eine neue Saison, in der wir das Leben mit Euch wieder nach Draußen verlagern können!
Guten Rutsch — Jürgen

Weihnachtsruhe

Samstag, 23. Dezember 2017

Liebe Freunde,
liebe Feriengäste,
liebe Familie,

Ruhe kehrt ein auf der Hallig, morgen ist Weihnachten. Und das ist schön – auch in diesem Jahr wieder. Unsere Vorbereitungen haben wir getroffen, alles ist hübsch gemacht, die Kuchen sind gebacken, ein paar Geschenke sind gepackt, ein Stapel Weihnachtspost ist eingetrudelt und wartet darauf, in Ruhe geöffnet zu werden.
Die Weihnachtsruhe darf einkehren.
Draußen wird es lauter und bewegter zugehen – wir erwarten Sturm. In unserem Haus könnte es dadurch um so gemütlicher werden. Und es gibt heute sogar einen Weihnachtsgottesdienst: Vielen Dank an unseren Pastor und unseren Kapitän, die es möglich machen!

Wir wünschen Euch allen ein paar Tage voller Freude. Wir wünschen Ruhe und Zeit für Euch selbst und für die Menschen um Euch herum, die Euch gern haben. Wir wünschen Euch Gesundheit und gute Gedanken und viele leuchtende Lichtblicke am Weihnachtsbaum!
Herzlichst, Sabine und Jürgen

Grau

Sonntag, 10. Dezember 2017

Zuerst erschien uns in diesem späten Herbst die Langeweile, die scheinbare lange Weile mit ihrer eintönig grau reduzierten Einfachheit, die für den einen oder anderen Zeitgenossen jedoch als Himmel auf Erden herbeigesehnt sein könnte, wenn man sie als Auszeit vom hektisch grau melierten Arbeits- oder Großstadtalltag betrachtet.

Seit einiger Zeit erscheint uns das Grau. Drei Tage lang haben unsere Schafe ihr Leben bei uns auf der Warft verbracht. Schon wieder prasseln graue Regeltropfen an die Fensterscheibe. Vielleicht sollten wir mit Nina Simone singen I got the blues. What can I lose. Good Bye. Selbst unsere Hühner haben sich damit abgefunden, öfter im grauen Matsch als im grünen Rasen zu scharren. Aber es gibt auch Lichtblicke: Sabines strahlende Augen, als sie mir die Hand mit dem ersten Ei entgegenstreckt, das die Hühner nach Wochen der Mauser und Abstinenz gelegt haben!

Weitläufig grauer Himmel mit wandernden grauen Wolken, aus denen nassgraue Regenschauer fallen, manchmal auch geräuschvolle Graupelschauer, und heute morgen sogar einen wirbliger Schneeschauer mit lustigen Flocken, die im Wind tanzten und die Hallig für einige Minuten mit einer hellgrauen, wie frischer Zuckerguß  wirkenden, Schicht überzogen, die – viel zu nass – alsbald wieder dahin schmolz. Die graue Nordsee brachte uns flutenweise graue Landunter. Breite graue Priele stehen auf den nassen Salzwiesen. Die grauen Schafe versuchen der noch graueren Einheitlichkeit zu trotzen und haben sich vom Bock bunte Flecken auf ihre Hintern malen lassen — ein schöner Kontrast beim Blick in die graue Morgendämmerung, lange nach dem Weckerklingeln. Nach einem viel zu kurzen Tag mit einem noch viel kürzeren sonnigen Highlight nahen in langsamem Elefantentrott die grauen Abendwolken aus Westen und künden die baldige Dämmerung an, die grau über grau immer grauer und grauer und dunkler grauer und noch dunkler grauer und dunkelgrau, wirklich dunkel, nachtdunkel über uns kommt. Auf die Sterne ist nicht immer Verlass, aber die Windräder am festländischen Horizont blinken zuverlässig und taktvoll ihr Rot.

Und Sabine und Jürgen zünden jetzt die zweite Kerze an und wünschen Euch einen schönen zweiten Advent mit Lichtblick!