Archiv für den Monat Februar 2017

Biike 2017

d4x_2018Dienstag, 21. Februar 2017

Ob wir wohl wirklich den Winter vertreiben können mit unserem Biikefeuer? Eine immer wieder spannende Frage, finde ich. Ich sehne mich schon nach Sommer und Wärme. Am heutigen Biiketag hat sich die Sonne mächtig angestrengt mitzuhelfen. Sie glühte stundenlang am knallblauen Himmel, und nicht ein einziges Wölkchen vermochte Schatten auf unsere Hallig zu werfen. Das war schon richtig gut, wenn auch noch windig kalt.

Und immer wieder erstaunlich finde ich, wie groß ein Biikehaufen auf Gröde werden kann. Jeder hat den Winter lang Kartons gesammelt, und jeder findet auf der Warft zu lang gewachsenes Buschwerk, und jeder sucht in der Scheune nach brennbarem Unbrauchbarem, sodass auch dieses Jahr wieder ansehnliche Flammen zu erwarten sind, die vielleicht ausreichen könnten, dem Winter und seinen Geistern einen mächtigen Schrecken einzujagen.

Die klirrend kalten Wintergeister, noch jagen sie um uns herum, wie Hexen auf ihren Besen, während wir uns im Dunkeln versammeln am Berg aus Gestrüpp, Gebüsch, Kartons und Holz. Ich glaube sogar ihr Jammern und Heulen zu hören, ihrer Vorahnung entlockt, dass gleich etwas passieren wird, was sie fürchten: Dass wir uns zusammentun und auflehnen gegen ihre eisige Herrschaft dunkler Tage. Jetzt ist es soweit! Wir trotzen ihrem Regiment, wir entzünden ein Licht, ein ganz kleines nur, vorerst, ein ganz kleines Licht in der Hand eines der Unsrigen, einer der sich wagt, einer der den Mut aufbringt, sich dem dunklen Biikehaufen zu nähern, sich zu nähern unter dem windisch anschwellenden Geheul der Wintergeister, die ihre Kreise immer enger ziehen. Sie vermögen ihn nicht mehr zu vertreiben. Sie ahnen, sie stöhnen, sie stoßen herab und steigen jäh wieder auf und versuchen mit aller Kraft und immer neuen eisigen Böen die kleine Flamme auszublasen, die in der Hand des Mutigen dem Biikehaufen Licht und Wärme spendet, der Mutige, der die Böen geschickt nutzt, um ein Papier im Schutze eines Kartons zu entzünden, wo die Flamme sich festsetzen und wachsen kann. Jetzt begreifen die Wintergeister im Angesicht der gierig leckenden Feuerzünglein, dass sie verlieren müssen, je mehr Nahrung die Flammen finden, Nahrung, die ihnen schmeckt, die sie schnell größer werden läßt. Sie begreifen, dass sie auch mit vereinten Kräften Licht und Wärme für uns Menschen nicht mehr verhindern können. Die Geister jagen jammernd um uns herum, während die Flammen knisternd das Gestrüpp umschmeicheln und Heerscharen von Funken aussenden, ihnen den eisigen Pelz zu verbrennen. Mir scheint, ich höre ihr Ach und Weh immer leiser werdend, je heller die Flammen und je lauter das von uns Menschen entfachte Feuergebrüll im Biikehaufen braust. Bald schon übertönt es das Wehklagen der Wintergeister, und mit einem letzten verzweifelten Zischen ziehen sie sich zurück von unserem Flecken Erde.

Wir haben es geschafft, den Winter und seine Geister zu vertreiben. Doch – als wären es ihre Verbündeten – fallen noch in der gleichen Nacht die Sturmgeister über Gröde her. Sie bleiben aber nicht so viele Wochen, und das ist schön.
In diesem Sinne! Viele Grüße, Jürgen

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Und zum Schluss gibt es noch ein Zeitraffervideo vom Biike-Brennen auf Hallig Gröde 2017 von Andreas Niggemann. Viel Spaß beim Anschauen:

 

Wattenweite

img_0068Freitag, 17. Februar 2017

Der Watten Weite. In mir selbst ist die Weite in letzter Zeit ein wenig eng geworden. Anscheinend habe ich sie schleichend verbaut, meine Sicht auf sie zugestellt, wie mit großen Plakatwänden, auf denen sich die vielen noch zu lösenden Aufgaben anpreisen, die sich in meinem Kopf tummeln. Manche sind sicher schnell zu erledigen – nachdenken, handeln, erledigt – keine 15 Minuten. Manch andere brauchen deutlich länger, und ich muss gut überlegen, wann ich mir die drei Stunden nehme, die es dauern wird, die Umstellung unseres Telefons auf einen anderen Anbieter vorzubereiten. Der Termin dafür naht, und unsere Telekommunikationstechnik im Haus will angepasst werden, um uns weiterhin problemlos mit Familie, Freunden und Gästen zu verbinden. Dann winken da noch die Vergißmeinnichtaufgaben mit ihren nimmer still stehenden Armen, freundlich, aber mit einem listigen Lächeln in den Mundwinkeln: Muss nicht gleich sein, aber bitte vergiss uns nicht.

Da ist es gar nicht schlecht, mal zwei Tage am Festland zu verbringen. Im Wartezimmer unseres Arztes kann ich nur warten und mein Buch lesen, sonst nichts. Wir warten zu elft in diesem Wartezimmer: Niemand spricht; ein alter Herr mit verschränkten Armen vor der Brust starrt reglos aus dem Fenster; eine entspannt dreinblickende Frau in meinem Alter scheint in sich hineinzuhorchen; eine viel zu hagere ältere Dame rührt mich mit ihrem gequältem Gesichtsausdruck; die sieben anderen beschäftigen sich mit ihren Smartphones – eindeutig die Mehrheit. Für mich beginnt der Zweitagsurlaub mit Warten und Lesen, gutem Essen und einem gemütlichen Abend mit meinen Eltern, wohltuend.

Als Nachhauseweg hatte ich mir das Watt ausgesucht, denn die sonnige Kälte ohne Wind versprach einen wunderbaren Vormittagsspaziergang von Schlüttsiel nach Gröde. Und so ist es dann auch. Hinter mir Deich und Festland und meine Fußstapfen im Schlick zwischen den Lahnungen südlich von Schlüttsiel. Vor mir nur der Watten Weite bis zum dunstigen Horizont, an dem ich so gerade eben die Warft von Habel ausmachen kann. Nach einer Weile Fußmarsch taucht auch die Gröder Warft im Südwesten auf, zuerst mehr vorgestellte als bildliche Wahrnehmung, aber mit jedem Schritt klärt sich ihre Kontur in der Watten Weite. Schräg vor mir belebt mich blendend die Februarsonne am blauer werdenden Himmel und spiegelt sich tanzend in den Pfützen und Prielen der Watten Weite, während ich wandere und dabei mit jedem schönen Anblick von Eis, Leben und Dynamik im Watt ein Stückchen Weite in mir selbst wiederfinde.
Wünsche Euch allen ein weites Wochenende! Jürgen

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