Ob wir wohl wirklich den Winter vertreiben können mit unserem Biikefeuer? Eine immer wieder spannende Frage, finde ich. Ich sehne mich schon nach Sommer und Wärme. Am heutigen Biiketag hat sich die Sonne mächtig angestrengt mitzuhelfen. Sie glühte stundenlang am knallblauen Himmel, und nicht ein einziges Wölkchen vermochte Schatten auf unsere Hallig zu werfen. Das war schon richtig gut, wenn auch noch windig kalt.
Und immer wieder erstaunlich finde ich, wie groß ein Biikehaufen auf Gröde werden kann. Jeder hat den Winter lang Kartons gesammelt, und jeder findet auf der Warft zu lang gewachsenes Buschwerk, und jeder sucht in der Scheune nach brennbarem Unbrauchbarem, sodass auch dieses Jahr wieder ansehnliche Flammen zu erwarten sind, die vielleicht ausreichen könnten, dem Winter und seinen Geistern einen mächtigen Schrecken einzujagen.
Die klirrend kalten Wintergeister, noch jagen sie um uns herum, wie Hexen auf ihren Besen, während wir uns im Dunkeln versammeln am Berg aus Gestrüpp, Gebüsch, Kartons und Holz. Ich glaube sogar ihr Jammern und Heulen zu hören, ihrer Vorahnung entlockt, dass gleich etwas passieren wird, was sie fürchten: Dass wir uns zusammentun und auflehnen gegen ihre eisige Herrschaft dunkler Tage. Jetzt ist es soweit! Wir trotzen ihrem Regiment, wir entzünden ein Licht, ein ganz kleines nur, vorerst, ein ganz kleines Licht in der Hand eines der Unsrigen, einer der sich wagt, einer der den Mut aufbringt, sich dem dunklen Biikehaufen zu nähern, sich zu nähern unter dem windisch anschwellenden Geheul der Wintergeister, die ihre Kreise immer enger ziehen. Sie vermögen ihn nicht mehr zu vertreiben. Sie ahnen, sie stöhnen, sie stoßen herab und steigen jäh wieder auf und versuchen mit aller Kraft und immer neuen eisigen Böen die kleine Flamme auszublasen, die in der Hand des Mutigen dem Biikehaufen Licht und Wärme spendet, der Mutige, der die Böen geschickt nutzt, um ein Papier im Schutze eines Kartons zu entzünden, wo die Flamme sich festsetzen und wachsen kann. Jetzt begreifen die Wintergeister im Angesicht der gierig leckenden Feuerzünglein, dass sie verlieren müssen, je mehr Nahrung die Flammen finden, Nahrung, die ihnen schmeckt, die sie schnell größer werden läßt. Sie begreifen, dass sie auch mit vereinten Kräften Licht und Wärme für uns Menschen nicht mehr verhindern können. Die Geister jagen jammernd um uns herum, während die Flammen knisternd das Gestrüpp umschmeicheln und Heerscharen von Funken aussenden, ihnen den eisigen Pelz zu verbrennen. Mir scheint, ich höre ihr Ach und Weh immer leiser werdend, je heller die Flammen und je lauter das von uns Menschen entfachte Feuergebrüll im Biikehaufen braust. Bald schon übertönt es das Wehklagen der Wintergeister, und mit einem letzten verzweifelten Zischen ziehen sie sich zurück von unserem Flecken Erde.
Wir haben es geschafft, den Winter und seine Geister zu vertreiben. Doch – als wären es ihre Verbündeten – fallen noch in der gleichen Nacht die Sturmgeister über Gröde her. Sie bleiben aber nicht so viele Wochen, und das ist schön.
In diesem Sinne! Viele Grüße, Jürgen
Und zum Schluss gibt es noch ein Zeitraffervideo vom Biike-Brennen auf Hallig Gröde 2017 von Andreas Niggemann. Viel Spaß beim Anschauen: